Um es vorwegzunehemen : wir hatten ein traumhaftes Radwochenende bei Optimalbedingungen in einem Naturparadies.
Letztlich waren wir nur vier Starter ( Richard, Walter, Bernd und ich - Robert war im Babyurlaub). Für unsere kleine Gruppe stellte sich dies aber als Glücksfall heraus. Im Bahnhof Plattling wollten wir in die Waldbahn umsteigen. Die fuhr aber lediglich mit einem Triebwagen ein und der Schaffner stellte unumstößlich klar, dass maximal vier Räder mitdürften. Dieses Kontigent war bereits von vier feixenden E-Bikefahrern ausgeschöpft, alles Jammern und Schimpfen hat nicht geholfen. Wir mussten eine Stunde auf den nächsten Zug warten, konnten dies aber für ein zweites Frühstück nutzen. Da wir ohnehin schon aus Gemütlichkeit eine Stunde später als ursprünglich geplant von Erding losgefahren sind, sah ich meinen Zeitplan jedoch etwas in Gefahr. Die als erste Sehenswürdigkeit geplante Besichtigung des Bahnhofs Bayerisch Eisenstein musste deswegen dann ausfallen. Der Bahnhof ist historisch bedeutsam, da der Eiserne Vorhang hier exakt den Bahnsteig unüberwindbar teilte. Er war soweit ein Symbol für die Teilung Europas wie das Brandenburger Tor. Die Wiederöffnung von 1989 war ein großes Ereignis, worüber es im Bahnhof eine interessante Ausstellung gibt.
Nun aber auf die Räder ! Wegen der Wetterprognose "Regenwahrscheinlichkeit 0 %" war Kleidung hierfür entbehrlich und das Gepäck im Rucksack kaum spürbar. Der Walter hat seinen 25 Jahre alten Stahl Eddy Merckx dabei und möchte austesten, ob dies gegenüber einem Carbonrenner mit Elektroschaltung irgendwelche meßbaren Nachteile bringt (war nichts feststellbar). In Tschechien angekommen bogen wir nach wenigen Kilometern in den Böhmerwald (Sumava) ein. Die letzen 40 Jahre war dieser noch Niemandsland, jetzt ist es ein menschenleerer Nationalpark in unberührter Natur. Ortschaften und Autoverkehr gibt es dort (fast) nicht, dafür aber dank EU ausgezeichnete und gepflegte Straßen und Radwege.Soweit haben wir das auch noch erwartet. Überrascht waren wir dann aber von der Topographie - auf den ersten 40 km Strecke hatten wir schon über 1000 hm auf dem Zähler. Mir war endgültig klar, dass mein Zeit- und Strekenplan nicht mehr einzuhalten war. Eine steile Rampe folgte der nächsten, ein Rhythmus war schwer zu finden. Geradezu grotesk falsch war dann noch meine Fehleinschätzung bezüglich Verpflegungsmöglichkeiten auf der Strecke. Ich hatte alle Mitfahrer gebeten ausreichend Riegel mitzunehmen da im Niemandsland keine Einkehr möglich sein wird. Falls im Nationalpark auch kaum jemand wohnt, für die zahlreichen tschechischen Wanderer und (auch Renn-) Radler gibt es doch gefühlt um praktisch jede Ecke eine Verpflegungsstation zu finden ! Die Riegel haben wir wieder mitgebracht. Frisch gestärkt ging es nach der Pause zur Abwechselung nun ca. 20 km bergab. Malerische Hochmoore, Bäche, Schluchten, uralter Mischwald und herrliche Aussichten wehselten sich dabei ab. Bald erreichten wir das geradezu märchenhaft verwunschene Quellgebiet der Moldau. Es wurde flach und auf einem Radweg fernab von jeglichem Autoverkehr näherten wir uns dem Stausee.
Der See wurd erst 1957 aufgestaut um die Sadt Prag vor Überschwemmungen der Moldau zu schützen. Bis zur Öffnung des Eisernen Vorhangs war er aber absolutes Sperrgebiet. Erst jetzt wird er touristisch erschlossen und von der eigenen Bevölkerung als beliebtes Naherholungsgebiet genutzt. Direkt am Ufer gibt es einige Hotels und Lokale. Wie ein Hund die Wurst so hatte Bernd Witterung nach Pivo (tschechisch : Bier) aufgenommen und wollte in einem malerischen Gartenlokal Platz nehmen. Nur mit vereinten Kräften war er zur Weiterfahrt zu bringen. Ein Hotel hatten wir nicht vorgebucht, fanden aber problemlos direkt am See eine Herberge mit Seeblick und vier freien Betten, Dreigangmenü, Handtuchwärmer, Radlgarage und allem sonst denkbaren Luxus zum Preis einer belegten Semmel in der Schweiz.
Die von mir geplante Besichtigung der nächsten Sehenswüdigkeit, dem Schwarzenberger Schwemmkanal ("das sachte Weltwunder") fiel wegen eintretender Dämmerung aus. Der Böhmerwald bildet die kontinentale Wasserscheide Europas. Die Donau fließt von hier ins Schwarze Meer und die Moldau in die Nordsee. Um Bauholz vom Wald in die wachsende Metropole Wien schaffen zu können wurde im 18. Jhd. der Kanal gebaut. Zur Überwindung der Wasserscheide fließt hier mit Druck das Wasser durch eine 400 m langen Tunnel im Fels aufwärts - ein Meisterwerk früher Ingenieurskunst. Die Besichtigung wäre ein Grund mehr, nochmals herzukommen.
Aber auch die folgende Morgendämmerung am See war allein schon eine Reise wert. Langsam lichtete sich in völliger Ruhe der Nebel und schuf mit der Morgensonne eine paradiesische Stimmung. Wäre in diesem Augenblick ein Kobold mit einem Schatz aus dem Wald gelaufen, so wäre dies nicht verwunderlich gewesen. Ein reichhaltiges Frühstück stärkte uns für kommende Aufgaben. Nur der Walter, als der Dünnste von uns, wollte Kalorien zählen.
Die zweite Etappe startete über einen leicht hügeligen und stark kurvigen Radweg um den See. Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen : traumhaft.Am Hauptort Lipno mündet der Weg dann überraschend in einen richtigen Yachthafen und eine Seepromenade. Wie Mallorca, nur schöner. Generell ließ sich feststellen, dass die Region um den See in Tschechien modern und frisch wirkt gegen die oft doch etwas morbide Tristesse im bayerischen Wald. Am Ende des Sees bogen wir ins österreichische Mühlviertel ein. Abermals wurden wir von der Topographie überrascht. Ich dachte wir trudeln gemütlich auf dem Mühlviertel-Radweg heim nach Passau. Weit gefehlt - auf aspahltierten Hofverbindungsstraßen ging es permanent steil zwischen Granitbergen rauf und runter. Genusstouren sind nun mal wie altes Brot - irgendwann wirds hart. Unsere kleine Gruppe harmonierte aber gut. Bernd und Walter machten das Tempo, bergauf haben wir kurz auf den grippegeschächten Richard gewartet und bergab die anderen auf mich. Mit der unendlichen Vilezahl von Bergstraßen wäre dass Mühlviertel auch ein hervorragendes Revier für ein Trainingslager. In der Mittagssonne kamen wir nun ordentlich ins Schwitzen. Dire Gewissheit aber für mindestens 6 Monate diesen Zustand nicht mehr zu spüren ließ auch dies Anstrengnung geradezu süß erscheinen.
Für die Rückfahrt hatte ich einen Schlenker mit Einkehr im bayerischen Wald nach Waldkirchen ins Geburtshaus der Bayerwalddichterin Emerenz Maier geplant. Spontan auftretende Hunger- und Durstattacken meiner Mitfahrer verlangten nach sofortiger Zufuhr fester und flüssiger Nahrung, so dass auch diese Sehenswürdigkeit unbesichtigt blieb. Nach nur 110 km hatten wir bereits wieder 1700 hm geschafft, radfahrerisch ist damit kein Wunsch offengeblieben. Wir können ohne uns zu schämen die Tour abkürzen. Die Russenmaß wirkte auf den Bernd wir Zaubertrank. Im Stile eines Zeitfahrers zog er uns von der Einkehr auf dem kürzesten Weg nach Passau, von wo uns ein Zug schnell und direkt ohne Umstieg sowie kostengünstig mit dem Bayernticket nach Hause brachte.
Mit den äußeren Bedingungen hatten wir am Wochenende einfach Glück. Aber die Strecke verdientauch so immer fünf Sterne ! Schöner kann Rennradfahren kaum sein. Die zwei Tage fühlten sich an wie ein ganzer Urlaub. Vielen Dank an die Mitfahrer, die eine mehr als angenehme Reisebegleitung waren. An kommenden langen Winterabenden werde ich bestimmt wieder an die Tour denken und das Gemüt daran wärmen.
Richard und Bernd haben ein paar Photos gemacht und werden diese vielleicht noch anhängen.
Hi Frederic, wenn Du mal keine Klienten mehr hast, fang doch einfach professionell an zu schreiben - der Erfolg scheint da vorprogrammiert zu sein. Echt ein toller Bericht der 2-tägigen Genusstour - ich les da einen Hauch von Tolkien raus!! Wäre wirklich nur zu gern dabei gewesen, die Kleine entschädigt aber natürlich die verpassten Kilometer . Für die nächste mehrtägige Genusstour habe ich schon einmal "Urlaub" beantragt. Bis Bald Gruß, Robert
Servus zusammen, den ausführlichen Worten von unserem Tour-Guide möchte ich mich anschließen. Es war eine grandiose Tour die mal wiederholt werden sollte. Wir waren ein super Team was sehr gut harmonierte! Es war sehr schön mit solchen Sportsmännern ferne, fremde Regionen mit dem Rennrad zu erkunden! Immerwieder gerne...vielen Dank an alle Beteiligten. Ein paar Bilder von der Tour sind in der Bildergalerie.